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Abteilung 2, Recht und Kommunales
Referat 23a, Kommunale Finanzen, Kommunalabgabenrecht
Redaktionsschluss:
Dezember 2011
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5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, 20.000 Exemplare
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Kommunalabgaben in Sachsen
Vorwort
Liebe Leser,
das Kommunalabgabenrecht betrifft jeden: den
Eigentümer eines Einfamilienhauses wegen der
Anschluss- und Straßenbaubeiträge, den Hun-
dehalter wegen der Hundesteuer und den Mieter
durch Wassergebühren. Auch Straßenreinigungs-
gebühren und Fremdenverkehrsabgaben sind
Kommunalabgaben.
Die Gemeinden, Landkreise und andere kom-
munale Körperschaften erheben diese Steuern,
Gebühren und Beiträge eigenverantwortlich. Die
Höhe der Abgaben kann von Gemeinde zu Ge-
meinde variieren. Diese Broschüre vermittelt die
wichtigsten Informationen und Hintergründe,
wofür welche Abgaben erhoben werden.
Jeder sollte kommunalabgabenrechtliche Sach-
verhalte, mit denen er im Alltag in Berührung
kommt, einordnen können. Jeder soll wissen, wo-
für er welche Abgaben leistet. Auch für demokra-
tische Entscheidungsprozesse in den Kommunen
sind kommunalabgabenrechtliche Grundkennt-
nisse häufig wichtig. Viele kommunalpolitische
Entscheidungen haben abgabenrechtliche Aus-
wirkungen. Hier sollen sich die Betroffenen kom-
petent einbringen können. Die Informationen in die-
ser Broschüre sind dafür eine nützliche Grundlage.
Markus Ulbig
Sächsischer Staatsminister des Innern
Inhalt
1.
Einleitung ............................................................................................................................................................................ 05
2.
Zur Funktion des Kommunalabgabenrechts ........................................................................................................ 07
3.
Allgemeine Rechtsgrundsätze des Kommunalabgabenrechts ....................................................................... 09
4.
Die Instrumente der Abgabenerhebung – Satzung, Bescheid, Vertrag ...................................................... 11
5.
Pflicht zum Anschluss an öffentliche Einrichtungen ....................................................................................... 14
6. Benutzungsgebühren...................................................................................................................................................... 16
7.
Beiträge ............................................................................................................................................................................... 20
8.
Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe .................................................................................................................... 26
9.
Örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuern ............................................................................................................ 27
10. Zahlungserleichterungen ............................................................................................................................................... 28
11.
Akteneinsicht, Informations- und Beteiligungsrechte ...................................................................................... 30
12. Rechtsschutz ...................................................................................................................................................................... 32
13.
Ansprechpartner ............................................................................................................................................................... 35
| 5
1.
Einleitung
setzen der Länder. In Sachsen gilt das Sächsische
Kommunalabgabengesetz (SächsKAG).
Kommunale Abgaben, die auf Bundesgesetzen
beruhen, sind unter anderem:
❚
Erschließungsbeiträge (§§ 127 ff. des Bau-
gesetzbuches – BauGB), z. B. wenn ein Grund-
stück neu an die öffentliche Wasserversor-
gung oder die Kanalisation angeschlossen
wird,
❚
die Grundsteuer (Grundsteuergesetz – GrStG)
sowie
❚
die Gewerbesteuer (Gewerbesteuergesetz –
GewStG).
Zu den landesrechtlich geregelten Kommunalab-
gaben gehören:
❚
die örtlichen Aufwand- und Verbrauch-
steuern (§ 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 SächsKAG),
z. B. Hundesteuer oder Zweitwohnungsteuer,
Wofür dürfen Kommunen Gebühren und Beiträ-
ge erheben? Welche Informations- und Beteili-
gungsrechte hat man als Einwohner? Besteht eine
Pflicht zum Anschluss an die Wasserversorgung?
Muss der Bürger auch Abfallgebühren bezah-
len, wenn bei ihm wenig Abfall anfällt? Welche
Möglichkeiten der Zahlungserleichterung gibt es?
Diese Broschüre informiert Sie rund um das The-
ma Kommunalabgaben.
Kommunalabgaben sind Steuern, Gebühren und
Beiträge, die die Kommunen (Gemeinden, Land-
kreise und Zweckverbände) erheben, um ihre
Aufgaben erfüllen zu können. Zu diesen Aufga-
ben zählen die Wasserversorgung, die Abwasser-
und Abfallentsorgung und der Straßenbau. Die
gesetzlichen Grundlagen für die Erhebung von
Kommunalabgaben finden sich sowohl im Bun-
desrecht als auch in den Kommunalabgabenge-
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| 7
2. Zur Funktion des
Kommunalabgabenrechts
❚
kommunale Benutzungsgebühren (§§ 9 ff.
SächsKAG), z. B. Wasser- und Abwasser-
gebühren,
❚
Anschlussbeiträge (§§ 17 ff. SächsKAG), z. B.
für den Anschluss die öffentliche Wasser-
versorgung und Kanalisation,
❚
Straßenbaubeiträge (§§ 26 ff. SächsKAG)
❚
sowie Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgaben
(§§ 34, 35 SächsKAG).
Zudem können Kommunen Verwaltungsgebühren
erheben. Für Sachsen ist dies im Sächsischen Ver-
waltungskostengesetz (SächsVwKG) geregelt.
Diese Broschüre befasst sich in erster Linie mit
den Kommunalabgaben im Sinne des Sächsischen
Kommunalabgabengesetzes.
Kommunale Steuern sind in erster Linie dazu
da, allgemein zur Finanzierung der kommuna-
len Aufgaben beizutragen. Die anderen – nicht-
steuerlichen – Kommunalabgaben dienen dage-
gen ausnahmslos dazu, bestimmte Aufgaben zu
finanzieren (z. B. Straßenbau, Wasserversorgung,
Friedhofswesen). Sinn und Zweck ist nicht, Haus-
haltslöcher zu stopfen, sondern den Steuerzahler
zu entlasten. Wer von den kommunalen Leis-
tungsangeboten am stärksten profitiert, soll auch
zur Finanzierung mit beitragen
Es besteht dabei die gesetzliche Pflicht, auf die
wirtschaftlichen Belange der Abgabenpflichti-
gen Rücksicht zu nehmen. D. h. die Kommunen
müssen eine Investitionspolitik mit Augenmaß
betreiben. Dies gilt vor allem mit Blick auf die de-
mographische Entwicklung. Wo Einwohnerzahlen
zurückgehen, kann die kommunale Infrastruktur
nicht um jeden Preis erhalten und erweitert wer-
den. Die Gebühren und Beiträge müssen für die
Bürger bezahlbar bleiben.
Kommunalabgaben werden immer auf der
Grundlage von kommunalen Abgabensatzungen
erhoben (s. § 2 Abs. 1 SächsKAG). Im Abgaben-
bescheid wird dann festgesetzt, wer in welcher
Höhe welche Abgabe leisten muss (§ 155 der Ab-
gabenordnung – AO).
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3. Allgemeine Rechtsgrundsätze
des Kommunalabgabenrechts
Die Abgabe ist immer an die Kommune zu ent-
richten, die für die jeweilige Aufgabe zuständig
ist. Für Wasserversorgung und Abwasserbesei-
tigung sind das beispielsweise die Gemeinden,
für die Abfallbeseitigung die Landkreise und
Kreisfreien Städte. Rechtsgrundlage sind neben
dem Sächsischen Kommunalabgabengesetz auch
verschiedene Fachgesetze (z. B. Sächsisches Was-
sergesetz, Sächsisches Abfallwirtschafts- und Bo-
denschutzgesetz).
Übertragen Gemeinden oder Landkreise die Auf-
gabe auf eine andere Körperschaft – zum Beispiel
auf einen Zweckverband –, ist diese unter Um-
ständen berechtigt, die Abgaben zu erheben (vgl.
§ 46 SächsKomZG).
Im Abgabenrecht gibt es allgemeine Grundsätze,
die für die Mehrzahl der Abgabenarten gelten. Die
beiden wichtigsten werden aus dem Verfassungs-
recht abgeleitet: der Grundsatz der Abgabenge-
rechtigkeit und das Äquivalenzprinzip.
a) Abgabengerechtigkeit
Der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit wird aus
dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrund-
satz (Willkürverbot) abgeleitet.
Abgabengerechtigkeit bedeutet zweierlei:
1. Der Abgabenanspruch muss gegenüber jeder-
mann strikt durchgesetzt werden (s. § 85 AO).
Gesetzliche Ausnahmen von diesem Grund-
satz bestehen nur unter sehr engen Voraus-
setzungen, z. B. auf Grund der Vorschriften
zum Erlass (§ 227 AO) und zur Stundung
(§ 222 AO) von Abgabenansprüchen.
2. Die Abgabenlast muss gerecht auf die Ab-
gabenpflichtigen verteilt werden (Grundsatz
der Belastungsgleichheit). Welcher Ver-
teilungsmaßstab geeignet ist, hängt von
der Abgabenart ab. Im Gebührenrecht muss
er den konkreten Nutzungsvorteil abbilden,
im Beitragsrecht den Vorteil, der sich aus der
Nutzungsmöglichkeit ergibt, und bei örtlichen
Aufwandsteuern den Aufwand, den der Steu-
erpflichtige – z. B. durch Halten eines Hundes
oder einer Zweitwohnung – betreibt. Würde
man bei diesen Abgaben z. B. die Einkommens-
verhältnisse der Abgabenpflichtigen als
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Der Äquivalenzgedanke erlaubt grundsätzlich
auch die Erhebung von Grundgebühren. Die
Grundgebühr ist dazu da, die so genannten fi-
xen Vorhaltekosten zu decken. Fixe Vorhaltekos-
ten sind Kosten, die unabhängig davon anfallen,
in welchem Ausmaß der einzelne Benutzer eine
Einrichtung tatsächlich in Anspruch nimmt.
Grundgebühren müssen jedoch angemessen sein.
Grundsätzlich gilt es als zulässig, bis zu 80 %
der Fixkosten einer Einrichtung über Grundge-
bühren zu finanzieren (s. SächsOVG, Urteil vom
29.11.2001 – Az. 5 D 25/00).
Verteilungsmaßstab zu Grunde legen, ent-
spräche dies daher nicht dem Grundsatz der
Abgabengerechtigkeit.
b) Äquivalenzprinzip
Im Gebühren- und Beitragsrecht gilt das so ge-
nannte Äquivalenzprinzip. Dieses besagt, dass
Gebühren und Beiträge in einem angemessenen
Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen müs-
sen. Damit ist allerdings keine „Einzelfallgerech-
tigkeit“ gemeint. Es kommt auf den Normalfall
an. Spezielle atypische Einzelfälle können außer
Betracht bleiben (so genannter Grundsatz der Ty-
pengerechtigkeit).
Konkret bedeutet das Äquivalenzprinzip z. B., dass
Straßenreinigungsgebühren teilweise erstattet
werden müssen, wenn die Gemeinde ihrer Stra-
ßenreinigungspflicht in erheblichem Umfang
nicht nachgekommen ist (SächsOVG, Urteil vom
17.06.1998 – Az. 2 S 646/96).
Andererseits verstößt es nicht gegen das Äquiva-
lenzprinzip, wenn bei der Kalkulation der Abwas-
sergebühren Kosten für die Beseitigung von so
genanntem Fremdwasser inbegriffen sind. Unter
Fremdwasser versteht man Abwasser, das unge-
wollt über die Kanalisation abgeleitet wird – z. B.
weil es undichte Stellen gibt. Da Fremdwasser in
der Abwasserentsorgung zwangsläufig in gewis-
sem Umfang anfällt, sind die dadurch entstehen-
den Kosten gebührenfähig. Das macht deutlich,
dass das Äquivalenzprinzip nicht eng verstanden
werden darf, etwa in dem Sinne, dass nur solche
Kosten gebührenfähig sind, die unmittelbar durch
die Gebührenpflichtigen verursacht werden. In-
soweit reicht es aus, wenn die Gebührenpflichti-
gen an den Kosten „näher dran“ sind als die All-
gemeinheit, also der Steuerzahler. (s. SächsOVG,
Urteil vom 28.10.2010 – Az. 5 D 5/06).
4. Die Instrumente der
Abgabenerhebung –
Satzung, Bescheid, Vertrag
a) Abgabensatzung
Wollen Gemeinden, Landkreise und Zweckver-
bände Kommunalabgaben erheben, müssen sie
zunächst eine entsprechende Satzung erlassen
(z. B. Hundesteuersatzung, Abwasserbeitrags-
satzung oder Abfallgebührensatzung). Satzungen
sind Ortsrecht. Sie müssen vom Gemeinderat
bzw. Kreistag oder der Verbandsversammlung
des Zweckverbandes beschlossen und öffentlich
bekanntgemacht werden. Jeder Bürger hat das
Recht, die Satzungen einzusehen oder sich eine
Abschrift erstellen zu lassen.
Erst die örtlichen Satzungen sind für den Bürger
unmittelbar von Bedeutung. Die Satzungen re-
geln vor allem:
❚
den Abgabensatz (Steuer-, Beitrags- oder
Gebührensatz),
❚
den Abgabenmaßstab, d. h. zu dem Gegen-
stand, auf den sich der Abgabensatz bezieht
(Es ist eine Gebühr in Höhe von x Eurocent –
Gebührensatz – pro Kubikmeter Wasser –
Gebührenmaßstab – zu zahlen),
❚
wer die Abgabe leisten muss,
❚
den Zeitpunkt, zu dem die Abgabenpflicht
entsteht (die Satzung kann z. B. bestimmen,
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dass die Beitragspflicht in Raten zustande
kommt; s. § 22 Abs. 3 SächsKAG),
❚
die Fälligkeit, also den Zeitpunkt, zu dem die
Abgabe zu zahlen ist, und
❚
weitere Zahlungsmodalitäten (z. B. ob Vor-
auszahlungen zu leisten sind – s. §§ 15 und 23
SächsKAG –, ob und unter welchen Voraus-
setzungen eine Ablösesumme gezahlt werden
kann – s. § 25 Abs. 1 SächsKAG).
Das sächsische Kommunalabgabenrecht gibt den
Kommunen nur die
Befugnis zur Abgaben
er-
hebung. Trotzdem kann unter Umständen auch
eine
Pflicht zur Abgaben
erhebung und damit
eine Pflicht zum Erlass einer Abgabensatzung
bestehen. Das gilt vor allem für die kommunale
Wasserversorgung sowie für die Abwasserbesei-
tigung und die Abfallentsorgung. Hier haben die
Kommunen eine gesetzliche Pflicht, kostende-
ckende Entgelte (Gebühren oder privatrechtliche
Entgelte) zu erheben.
Eine
Pflicht zur Beitrags
erhebung besteht dage-
gen grundsätzlich nicht. Dies gilt in Sachsen auch
für Straßenbaubeiträge (SächsOVG, Urteil vom
31.01.2007 – Az. 5 B 522/06). Etwas anderes gilt
für die Erschließungsbeiträge nach Bundesrecht:
(§§ 127 ff BauGB). Hier gibt es eine Beitragserhe-
bungspflicht.
Bei der Befugnis zur Abgabenerhebung liegt es im
Ermessen der Kommune, ob sie bestimmte Abga-
ben erheben und wie sie die Abgabenpflicht im
Einzelnen ausgestalten will. Ist die Abgabensat-
zung jedoch einmal erlassen, ist sie strikt zu voll-
ziehen. Wo Ausnahmen zulässig sind, bestimmt
das jeweilige Gesetz (vor allem Stundung und
Erlass gemäß §§ 222 und 227 AO).
b) Abgabenbescheid
Kommunalabgaben sind grundsätzlich durch be-
hördlichen Verwaltungsakt (Abgabenbescheid)
festzusetzen. Etwas anderes gilt nur für die „ab-
gabenrechtlichen Nebenleistungen“ im Sinne
des § 1 Abs. 2 SächsKAG (Verspätungszuschläge,
Zinsen und Säumniszuschläge). Der Abgabenbe-
scheid muss ausreichend verständlich sein (Be-
stimmtheitsgrundsatz) und die Rechtsgrundlage
nennen, so dass der Empfänger nachvollziehen
kann, weshalb die Abgabe festgesetzt wurde.
Der Bescheid muss unterschrieben und mit ei-
ner Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein. Bei
maschineller Ausfertigung kann die Unterschrift
entfallen. Jeder kann seinen Bescheid überprüfen
lassen (Widerspruch, danach Klage; s. dazu unten
Nr. 12 b)
Solange kein Abgabenbescheid erlassen ist, kann
die Abgabe nicht fällig werden, d. h. die Behörde
darf keine Zahlung verlangen. Sobald der Abga-
benbescheid jedoch vorliegt, muss die Abgabe
so, wie im Abgabenbescheid gefordert, gezahlt
werden. Ein Widerspruch oder eine Klage gegen
den Bescheid ändern zunächst nichts an der Zah-
lungspflicht (s. dazu unten Nr. 12 b).
Wenn Abgabenbescheide bestandskräftig sind,
können sie nur noch unter engen gesetzlichen
Voraussetzungen wieder aufgehoben werden
(s. dazu §§ 172 ff. AO). Die Bestandskraft tritt
ein, sobald die gesetzliche Frist für einen Wi-
derspruchs bzw. eine Klage gegen den Bescheid
abgelaufen ist, ohne dass Widerspruch oder Kla-
ge erhoben wurden. Sie tritt auch ein, wenn der
Widerspruch oder die Klage zurückgenommen
werden.
c) Privatrechtliche Entgelte
Die Kommunen bzw. Zweckverbände können statt
Gebühren und Beiträgen auch privatrechtliche
Entgelte verlangen. Das Kommunalabgabenrecht
ist dann nicht unmittelbar anwendbar. Nach der
Rechtsprechung gelten in solchen Fällen die we-
sentlichen Grundsätze des Kommunalabgaben-
rechts entsprechend („Grundsätze öffentlichen
Finanzgebarens“). Das heißt, dass insbesondere
die Entgelthöhe in einem angemessenen Verhält-
nis zu der Leistung stehen muss (Äquivalenzprin-
zip). Die Entgelteinnahmen dürfen die entgeltfä-
higen Kosten der öffentlichen Einrichtung nicht
überschreiten (Kostenüberschreitungsverbot).
Die Kommunen informieren normalerweise durch
„Preisblätter“ über die jeweils geltenden privat-
rechtlichen Tarife.
d) Erschließungsvertrag
Die jeweils zuständige Kommune kann mit priva-
ten Grundstückseigentümern vertraglich verein-
baren, dass bestimmte Erschließungsmaßnahmen
(des Straßen- und Leitungsbaus) von ihnen auf
eigene Rechnung durchgeführt werden (Erschlie-
ßungsvertrag; § 124 Abs. 1 BauGB). Der Erschlie-
ßungsvertrag regelt zwar keine abgabenrechtli-
chen Fragen, er wirkt sich aber wie folgt auf das
Abgabenrecht aus:
Ist eine Straßenbaumaßnahme Gegenstand des
Erschließungsvertrags, entfällt damit grund-
sätzlich die Beitragspflicht. Bei einer leitungs-
gebundenen Erschließungsmaßnahme (z. B. der
Abwasserentsorgung) entfällt die Beitragspflicht
dagegen nicht. Hintergrund ist, dass Grund-
stückseigentümer sonst lediglich ihren jeweiligen
Anschluss an die Kanalisation bezahlen würden.
Sie profitieren jedoch von der gesamten Abwas-
seranlage und sollen sich deshalb auch an den
Gesamtkosten (insbesondere einschließlich der
Errichtung der Kläranlagen) beteiligen.
Daher bestimmt das Gesetz, dass in Fällen, in
denen auf der Basis eines Erschließungsvertrags
Teile einer leitungsgebundenen Einrichtung er-
richtet worden sind, die Baukosten auf die Bei-
träge der betreffenden Grundstücke anzurechnen
sind. Werden keine Beiträge erhoben, werden die
entstandenen Kosten in der Gebührenkalkulation
als Kapitalzuschüsse behandelt. Das reduziert die
Gebührenlast für die Nutzer der Einrichtung (vgl.
§ 25 Abs. 2 SächsKAG).
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dauerhaft Kleinkläranlagen nutzen. Bis spätestens
zum Jahr 2015 müssen alle Anlagen dem Stand
der Technik entsprechen, d. h. mit einer biologi-
schen Reinigungsstufe ausgerüstet sein.
Die Abwasserzweckverbände und Gemeinden
sind gehalten, die bestehenden Abwasserbeseiti-
gungskonzepte zu überprüfen und anzupassen.
Sie müssen außerdem festlegen, wenn Ortsteile
dauerhaft nicht an öffentliche Abwasserbehand-
lungsanlagen angeschlossen werden sollen.
Der Freistaat Sachsen unterstützt Grundstücks-
eigentümer bei der Nachrüstung der Kleinkläran-
lage mit einer biologischen Reinigungsstufe bzw.
dem Neubau einer Kleinkläranlage. Seit 2007 sieht
das Sächsische Staatsministerium für Umwelt
und Landwirtschaft auch die Förderung privater
Kleinkläranlagen vor (s. dazu die „Förderrichtlinie
Siedlungswasserwirtschaft“ (SWW/2009) vom
4. Februar 2009).
Wo bisher noch eine private Kleinkläranlage in
Betrieb ist, obwohl auf Dauer der Anschluss an
die zentrale Kanalisation vorgesehen ist, besteht
in einem gewissen zeitlichen Rahmen Bestands-
schutz, da der Grundstückseigentümer Geld in-
vestiert hat. Letztlich darf aber auch in solchen
Fällen der Anschluss- und Benutzungszwang
durchgesetzt werden.
5. Pflicht zum Anschluss an
öffentliche Einrichtungen
Die Gemeinde bzw. der Zweckverband kann durch
Satzung vorschreiben, dass Grundstücke an
bestimmte Einrichtungen, wie z. B. Wasserver-
sorgung, Abwassersystem oder Fernwärmever-
sorgung angeschlossen werden müssen. Der An-
schluss- und Benutzungszwang muss dem Wohl
der Allgemeinheit dienen. Dies trifft insbesondere
dann zu, wenn die öffentliche Einrichtung der Ab-
wehr gesundheitlicher Gefahren oder dem Um-
weltschutz dient.
Für Grundstücke mit privaten Kleinkläranlagen
gelten gesonderte Regelungen. Aufgrund der
demografischen Entwicklung und der veränder-
ten finanziellen Rahmenbedingungen werden
über 10 % der sächsischen Bevölkerung – vor
allem im ländlichen Raum – mittelfristig oder
16 |
| 17
Die Rechtsprechung geht von der Existenz einer
öffentlichen Straßenreinigungs-Einrichtung aus,
entsprechend §§ 9 ff. SächsKAG anwendbar sind.
a) Private Betreibergesellschaften
Wird – zum Beispiel im Bereich der Abwasser-
entsorgung – eine private Betreibergesellschaft
für die Kommune tätig, spricht dies grundsätz-
lich nicht gegen die Existenz einer öffentlichen
Einrichtung. Das gilt selbst dann, wenn die An-
lagen der Einrichtung im Besitz der privaten
Gesellschaft sind. Die Kommune muss allerdings
sicherstellen, dass die Betreibergesellschaft die
öffentlich-rechtlichen Vorschriften einhält.
Allerdings ist die Betreibergesellschaft nicht be-
rechtigt, Gebühren (und Beiträge) zu erheben.
Zwar ist es nach der Rechtsprechung zulässig,
dass Privatpersonen öffentliche Einrichtung auf
Gemeinden und Landkreise (§ 9 Abs. 1 SächsKAG),
aber auch Zweckverbände (s. § 46 SächsKomZG),
können „für die Benutzung ihrer öffentlichen Ein-
richtungen“ Benutzungsgebühren erheben, wenn
sie keine privatrechtlichen Entgelte verlangen.
Öffentliche Einrichtungen der Kommunen dienen
der Daseinsvorsorge, also der Benutzung durch
die Bevölkerung. Öffentliche Straßen werden in
diesem Sinne nicht als öffentliche Einrichtun-
gen angesehen. Eine Straßenbenutzungsgebühr
(Maut) dürfen Gemeinden also nicht erheben.
Wird die öffentliche Straße ausnahmsweise
für andere Zwecke als für den Straßenverkehr
genutzt, lässt das Gesetz Benutzungsgebüh-
ren zu (Sondernutzungsgebühren gemäß § 21
SächsStrG), auf die §§ 9 ff. SächsKAG allerdings
nicht anwendbar sind. Auch Straßenreinigungs-
gebühren (§ 51 Abs. 5 SächsStrG) sind zulässig.
6. Benutzungsgebühren
Beschluss vom 18. Januar 2011 – Az. 4 B 270/10).
Sponsoringaktivitäten – soweit sie überhaupt zu-
lässig sind – verursachen insoweit keine betriebs-
bedingten, gebührenfähigen Kosten. Dagegen
kann zum Beispiel die Abfallberatung über die
Abfallgebühren finanziert werden (s. § 11 Abs. 2
Nr. 3 SächsKAG).
Aus dem gebührenrechtlichen Kostenbegriff folgt
auch der Grundsatz der Periodengerechtigkeit.
Er besagt, dass nur solche Kosten berücksichtigt
werden dürfen, die in der jeweiligen Kalkulati-
onsperiode anfallen. Eine Kalkulationsperiode
kann bis zu fünf Jahre umfassen (§ 10 Abs. 2
Satz 1 SächsKAG). Unter bestimmten Umstän-
den können Kosten aus früheren Kalkulations-
perioden geltend gemacht werden, wenn sie
bisher in der Gebührenkalkulation unberück-
sichtigt geblieben sind (Kostenunterdeckung;
s. § 10 Abs. 2 Satz 3 SächsKAG). Diese Möglich-
keit besteht jedoch nur fünf Jahre nach dem Ende
der Kalkulationsperiode, in der die Kostenunter-
deckung eingetreten ist. Eine Abweichung vom
Prinzip der Periodengerechtigkeit bedeutet aber
auch die Zulassung der Berücksichtigung perio-
denfremder Deponiekosten (§ 11 Abs. 2 Nr. 4 Satz
3 SächsKAG).
Nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen sind
außerdem Abschreibungen und kalkulatorische
Zinsen in die Gebührenkalkulation einzustellen
(s. § 11 Abs. 2 Nr. 1 SächsKAG) und nicht etwa
die in der jeweiligen Kalkulationsperiode ange-
fallenen Investitions- und Zinsausgaben. Die
kalkulatorische Verzinsung unterscheidet sich
dadurch von den tatsächlichen Zinsausgaben,
dass eine Kreditfinanzierung des gesamten Anla-
gevermögens zu marktüblichen Bedingungen un-
terstellt wird. Dies führt zu einer sachgerechteren
Berechung der Zinskosten, da die Berechnung
unabhängig ist von möglichen Zufälligkeiten der
tatsächlichen Finanzierung der Einrichtung.
eigene Rechnung betreiben (SächsOVG, Beschluss
vom 24. September 2004 – Az. 5 BS 119/04), je-
doch nur in Form privatrechtlicher Entgelte.
Die aus dem Kommunalabgabenrecht abgeleite-
ten Einschränkungen, denen die Kommunen in
einem solchen Fall unterliegen (Pflicht zur Beach-
tung der Grundsätze öffentlichen Finanzgeba-
rens; s.o., Nr. 4 c)), gelten dann auch für private
Konzessionäre.
b) Gebührenschuldner
Die Gebührensatzung legt fest, wer Gebühren zu
zahlen hat (s. § 2 Abs. 1 SächsKAG). Dabei steht
dem Satzungsgeber grundsätzlich ein eigenes
Ermessen zu. Dieses muss sachgerecht ausgeübt
werden. Da Grundstückseigentümer ein eigenes
wirtschaftliches Interesse an der Wasserversor-
gung, der Abwasser- und der Abfallentsorgung
usw. haben, ist es daher zulässig, wenn die Sat-
zung sie bei diesen Gebührenarten als Gebühren-
schuldner bestimmt.
c) Gebührenfähige Kosten
Im Benutzungsgebührenrecht gilt grundsätzlich
das Kostenüberschreitungsverbot (§ 10 Abs. 1
Satz 1 SächsKAG). Die gebührenfähigen Kosten
sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
zu bestimmen (§ 11 Abs. 1 SächsKAG). Kosten
der kommunalen Einrichtung, die nicht der Leis-
tungserbringung – also zum Beispiel der Abfall-
entsorgung – dienen, dürfen grundsätzlich nicht
in die Gebührenkalkulation einfließen.
So wäre es zum Beispiel unzulässig, wenn eine
Gemeinde oder ein Zweckverband die Ausgaben
für Sponsoring als gebührenfähige Kosten an-
sehen und über die Abwassergebühren finanzie-
ren würde. Das Sächsische Oberverwaltungsge-
richt hat festgestellt, dass es nicht zur Aufgabe
einer Wasserversorgungseinrichtung gehört,
über Sponsoring für sich zu werben (SächsOVG,
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d) Gebührenarten: Grund- und Arbeitsgebühr,
Mindest- und Festgebühr
Der Gebührenmaßstab wird in der Gebührensat-
zung festgelegt (s. § 2 Abs. 1 SächsKAG) und kann
nach unterschiedlichen Prinzipien bestimmt wer-
den. Eine Methode ist die Messung der erbrachten
Leistung, wie etwa in der Wasserversorgung die
Messung des verbrauchten Wassers durch Was-
serzähler. Dies ist jedoch nicht immer so einfach
möglich und auch aus anderen Gründen nicht
immer sachgerecht.
So ist es z. B. vielfach üblich, neben einer an der
tatsächlichen Leistungserbringung orientierten
Benutzungsgebühr, die dann als Arbeitsgebühr
(auch Verbrauchs-, Leistungs-, Masse-, Mengen-
oder Zusatzgebühr) bezeichnet wird, eine so ge-
nannte Grundgebühr zu erheben. Das Gesetz lässt
dies ausdrücklich zu (s. § 14 Abs. 1 Satz 3 Sächs-
KAG). Die Grundgebühr tritt als eigenständige
Gebührenart neben die Arbeitsgebühr. Die beiden
Gebührenarten sind allerdings dadurch verbun-
den, dass die Einnahmen aus beiden Gebühren-
arten die Gesamtkosten der Leistungserbringung
(fixe und variable Kosten) nicht übersteigen dür-
fen (Kostenüberschreitungsverbot; § 10 Abs. 1
Satz 1 SächsKAG). Die Grundgebühr darf nur der
Deckung der so genannten fixen Vorhaltekosten
dienen. Fixe Vorhaltekosten sind Kosten, die un-
abhängig davon entstehen, in welchem Ausmaß
die Einrichtung vom einzelnen Benutzer tatsäch-
lich in Anspruch genommen wird. Dazu gehören
z. B. die investiven Kosten (kalkulatorische Kos-
ten), die Personalkosten für das Minimum an
Stammpersonal oder auch die verbrauchsun-
abhängigen Grundpreise für das Vorhalten der
Leistungsbereitschaft. Die Grundgebühr wird z. B.
am Nennwert des Wasserzählers (z. B. „Qn 2,5“,
d. h. 2,5 m³ Durchflussmenge pro Stunde) fest-
gemacht.
Dagegen stellen Mindest- und Festgebühren
Varianten der Leistungsgebühr dar. Bei der Fest-
gebühr handelt es sich um einen pauschalen
Gebührenmaßstab, der deshalb zulässig ist, weil
die Messung der tatsächlich erbrachten Leistung
praktisch unmöglich ist. Dieser Maßstab ist insbe-
sondere im Abfallgebührenrecht üblich – nämlich
als personenbezogene Festgebühr (Gebühren-
maßstab ist also die Zahl der in einem Haushalt
zusammenlebenden Personen). Das Sächsische
Oberverwaltungsgericht hält diesen Gebühren-
maßstab in ständiger Rechtsprechung auch ohne
degressive Ausgestaltung des Gebührensatzes für
Mehrpersonenhaushalte für zulässig, da keine zu-
verlässigen Erkenntnisse darüber vorliegen, dass
die Haushaltsgröße auf das Abfallaufkommen pro
Kopf Einfluss hat.
Bei der Mindestgebühr wird dagegen von einer
bestimmten Mindestinanspruchnahme der Ein-
richtung ausgegangen – insoweit handelt es sich
also auch um einen pauschalen Gebührenmaß-
stab. Erst wenn die Mindestinanspruchnahme
überschritten wird, kommt es bei dieser Gebüh-
renart auf den Umfang der tatsächlichen Inan-
spruchnahme an. Die Mindestgebühr wird häu-
fig im Abfallgebührenrecht erhoben, etwa wenn
Gebührenmaßstab die Zahl der Entleerungen der
Mülltonne ist. Dann sehen die Gebührensatzun-
gen regelmäßig eine so genannte Pflichtentlee-
rung vor, d. h. dass für die Gebührenkalkulation
eine bestimmte Zahl von Entleerungen unterstellt
wird.
e) Niederschlagswassergebühr
Früher war es allgemein üblich, für die Entsor-
gung des Schmutz- und des Niederschlagswas-
sers eine einheitliche Gebühr zu verlangen. Es
fielen für die Ableitung des Niederschlagswas-
sers von den Grundstücken Kosten an, die über
die Abwassergebühren mit bezahlt wurden. Die
Rechtsprechung hatte es bisher immer als zuläs-
sig betrachtet, getrennte Schmutz- und Nieder-
schlagswassergebühren zu erheben. Inzwischen
werden einheitliche Abwassergebühren immer
häufiger als rechtswidrig angesehen, da es keinen
Gebührenmaßstab gibt, der beiden Leistungen
gerecht wird (s. im Übrigen auch § 9 Abs. 3 Satz 2
SächsKAG).
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Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der
Investitionsaufwand für kommunale öffentliche
Einrichtungen auch über Benutzungsgebühren
(§§ 9 ff. SächsKAG) finanziert werden kann. Die
Kommune hat die Wahl zwischen reiner Gebüh-
renfinanzierung – unter Verzicht auf die Bei-
tragserhebung – und einer Mischfinanzierung
aus Beiträgen und Gebühren. Eine Pflicht zur
Erhebung von Anschlussbeiträgen besteht also
grundsätzlich nicht. Die einmal gewählte Finan-
zierungsform kann jederzeit geändert werden.
Die Kommune kann von Mischfinanzierung zur
reinen Gebührenfinanzierung übergehen oder
– auch nach vielen Jahren – entscheiden, dass
sie doch noch Beiträge erheben will. Für eine
solche Umstellung bedarf es keines besonderen
Grundes. Unter bestimmten Umständen ist eine
Umstellung aber zwingend notwendig. Zum Bei-
spiel nach einem Gemeindezusammenschluss
oder einer Gemeindeeingliederung (s. § 8 Abs. 1
Satz 1 SächsGemO) bzw. einem Zweckverbands-
zusammenschluss (§§ 65 ff. SächsKomZG), wenn
eine oder mehrere der früheren selbständigen
Kommunen Beiträge erhoben hatten. Spätestens
nach einer zehnjährigen Übergangsfrist muss
dann einheitliches Beitrags- und Gebührenrecht
geschaffen werden (s. § 9 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 17
Abs. 4 SächsKAG).
Die Erhebung von Anschlussbeiträgen wirkt sich
wegen der ersparten Finanzierungskosten ge-
bührensenkend aus.
a) Beiträge als Gegenleistungen für öffent-
liche Leistungen
Beiträge sind ebenso wie Gebühren Gegenleis-
tungen für öffentliche Leistungen. Während die
Benutzungsgebühr jedoch für die tatsächliche
Nutzung einer kommunalen Einrichtung zu ent-
richten ist, geht es im Beitragsrecht um den Vor-
teil der bloßen Nutzungsmöglichkeit.
Insbesondere die Erhebung von Straßenbaubei-
trägen finden betroffene Bürger häufig nicht
sachgerecht, da die öffentlichen Straßen von
allen genutzt werden können und sie deshalb
den wirtschaftlichen Nutzen der Straße spezi-
ell für die Straßenanlieger nicht sehen. Die ver-
kehrsmäßige Erschließung ist bei bebaubaren
Grundstücken aber die mit Abstand wichtigste
Erschließungsmaßnahme. Daher ist es grundsätz-
lich sachgerecht, die Straßenanlieger nicht nur an
den Kosten der erstmaligen Herstellung der Stra-
ße zu beteiligen, sondern auch an der späteren
Straßenerneuerung. Dass öffentliche Straßen der
Nutzung durch die Allgemeinheit offen stehen,
muss bei der Beitragskalkulation angemessen be-
rücksichtigt werden (s. u. Buchstabe g).
§ 17 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG könnte in dem Sinne
missverstanden werden, dass es bei der Erhebung
von Anschlussbeiträgen gar nicht um eine Ge-
genleistung für eine bestimmte Nutzungsmög-
lichkeit geht. Nach dieser Vorschrift dient die
Beitragserhebung nämlich „der angemessenen
Ausstattung öffentlicher Einrichtungen mit Be-
triebskapital“.
Das Betriebskapitalkonzept
des
Anschlussbeitragsrechts des SächsKAG bedeutet
jedoch nicht, dass es bei der Beitragspflicht nicht
auf den wirtschaftlichen Vorteil für den Beitrags-
pflichtigen ankommt. Diese Formulierung will nur
besagen, dass der Gegenwert der Beitragseinnah-
men dauerhaft als Eigenkapital des kommunalen
Einrichtungsträgers erhalten bleiben soll.
Weil die Kommunen verpflichtet sind, das einmal
aufgebaute Betriebskapital auf Dauer zu erhalten,
müssen die Beitragspflichtigen keine weiteren
Beitragszahlungen für Ersatzinvestitionen leisten.
Gemäß § 17 Abs. 2 SächsKAG sind weitere An-
schlussbeiträge nur zulässig, wenn
❚
die zulässige Obergrenze des Betriebskapitals
der öffentlichen Einrichtung bisher noch nicht
ausgeschöpft wurde,
❚
die Einrichtung ausgebaut wird,
❚
die Anschaffungs- und Herstellungskosten
einer zur beitragsfinanzierten Einrichtung
gehörenden Anlage höher sind als die Kosten
der alten Anlage oder
❚
sich durch Veränderungen des Leistungsum-
fanges oder Verringerung der geplanten Zu-
schüsse die ursprünglich vorgesehene Finan-
zierung nicht verwirklichen lässt.
Wenn das Beitragsrecht verlangt, dass den er-
schlossenen Grundstücken durch eine öffentliche
Einrichtung (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG) oder die
Gemeindestraße (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Sächs KAG)
wirtschaftliche „Vorteile zuwachsen“, ist damit
Die kommunalabgabenrechtlichen Beiträge die-
nen der Finanzierung von Erschließungsmaß-
nahmen. Das SächsKAG regelt das Anschluss-
beitragsrecht (§§ 17 ff. SächsKAG) und das
Straßenbaubeitragsrecht (§§ 26 ff. SächsKAG)
getrennt. Während im Anschlussbeitragsrecht die
Einrichtung als solche zu finanzieren ist, sind im
Straßenbaubeitragsrecht jeweils einzelne Bau-
maßnahmen beitragspflichtig. Im Anschlussbei-
tragsrecht wird daher die Kalkulationsmethode
der Globalberechnung angewendet (s. § 18 Abs. 2
Satz 1 SächsKAG). Das heißt, dass der gesamte be-
reits entstandene und künftig noch entstehende
Aufwand für die Errichtung der Einrichtung in die
Kalkulation einbezogen wird. In die Kalkulation
der Straßenbaubeiträge sind dagegen jeweils die
tatsächlichen Aufwendungen für eine bestimmte
Baumaßnahme einzustellen (§ 27 SächsKAG).
7. Beiträge
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Der
Nutzungsfaktormaßstab
geht von der Fläche
des Grundstückes aus und berücksichtigt dessen
Bebaubarkeit nach der Zahl der zulässigen Ge-
schosse. Die Grundstücksfläche wird mit einem
stufenweise ansteigenden Faktor vervielfältigt.
Dieser Faktor kann in der Satzung z. B. folgender-
maßen festgelegt werden:
❚
bei eingeschossiger Bebaubarkeit der Faktor 1;
❚
bei zweigeschossiger Bebaubarkeit der Faktor
1,5;
❚
bei dreigeschossiger Bebaubarkeit der Faktor
2,0;
❚
bei viergeschossiger Bebaubarkeit der Faktor
2,5.
Beispiel:
Für ein 300 m² großes Grundstück bedeutet dies
bei zulässiger zweigeschossiger Bebauungsmög-
lichkeit und einem angenommenen Beitragssatz
von 3,00 EUR/m² Nutzungsfläche:
300m² Grundstücksfläche x 1,5 = 450 m² Nut-
zungsfläche
450 m² Nutzungsfläche x 3,00 EUR Beitrag/m² =
1.350 EUR Beitrag.
Der
Geschossflächenmaßstab
richtet sich nach
der Geschossfläche, die für das Grundstück bau-
planerisch grundsätzlich zulässig ist. Diese wird
durch Multiplikation der Grundstücksfläche mit
der im Bebauungsplan festgesetzten Geschoss-
flächenzahl (GFZ) ermittelt. Die GFZ ist diejenige
Wohn- oder sonstige Nutzfläche, die auf dem
Grundstück errichtet werden darf. In Gebieten
ohne Bebauungsplan bestimmt sich die GFZ nach
der vorhandenen Bebauung in der näheren Um-
gebung.
Beispiel:
Für ein 300 m² großes Grundstück bedeutet dies
bei einer GFZ von 0,25 und einem angenomme-
nen Beitragssatz von 9,00 EUR/m² Geschossflä-
che:
300 m² Grundstücksfläche x 0,25 = 75 m² Ge-
schossfläche
75 m² Geschossfläche x 9,00 EUR Beitrag/m² =
675 EUR Beitrag.
Der Nutzungsfaktormaßstab ist geringfügig
gröber als der Geschossflächenmaßstab, da-
für weitaus praktikabler und verständlicher. Der
Geschossflächenmaßstab ist nämlich dort, wo
noch keine Bebauungspläne mit festgesetzten
Geschossflächenzahlen bestehen und diese erst
mühsam anhand der baulichen Nutzung in der
näheren Umgebung bestimmt werden müssen,
nur schwierig und mit erheblicher Rechtsunsi-
cherheit anzuwenden.
Speziell für die Niederschlagswasserentsorgung
ist außerdem die mit einem Grundflächenfaktor
modifizierte Grundfläche als Maßstab möglich.
Der Grundflächenfaktor ist abhängig von der
überbaubaren Grundstücksfläche. Je größer die
überbaubare Grundstücksfläche und damit die
Fläche, auf der das Niederschlagswasser nicht
versickern kann, desto höher der Niederschlags-
wasserbeitrag.
Beitragsmaßstäbe wie z. B. die Anzahl der Wohn-
einheiten oder die Anzahl der Grundstücksbe-
wohner bzw. die tatsächlich bebaute Grund-
stücksfläche können nicht herangezogen werden,
da sie nur an die gegenwärtige Nutzung anknüp-
fen, jedoch die zukünftige zusätzliche Bebaubar-
keit eines Grundstückes (unabhängig von seiner
gegenwärtigen Ausnutzung) als Vorteilsmaßstab
nicht widerspiegeln.
c) Beitragsschuldner
Beitragsschuldner ist der Grundstückseigentümer,
der Erbbauberechtigte oder ein anderer zur bau-
lichen Nutzung Berechtigter (§ 21 SächKAG). Die
Erschließung dient dem Grundstück auf Dauer.
Dem Mieter steht aber nur ein zeitlich befristetes
Nutzungsrecht zu, so dass er als Beitragsschuld-
ner nicht in Betracht kommt. Nur der Eigentü-
mer oder der einem Eigentümer gleichgestellte
Nutzungsberechtigte (z. B. ein Erbbauberechtig-
ter) kann dauerhaft wirtschaftlichen Nutzen aus
der beitragspflichtigen Erschließungsmaßnahme
(Wasser, Abwasser oder Straße) ziehen.
d) Beitragsvorauszahlung
Die Gemeinde oder der Zweckverband kann ange-
messene Vorauszahlungen auf die Beitragsschuld
verlangen, sobald mit der Herstellung der Ein-
richtung begonnen wurde. Diese Vorauszahlung
ist mit der später entstehenden endgültigen Bei-
tragsschuld zu verrechnen. Ist der Anschluss an
die gemeindliche Einrichtung sechs Jahre nach
Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheides noch
nicht entstanden, kann der Beitragspflichtige die
Vorauszahlung zurückfordern (vgl. §§ 23 und 31
SächsKAG).
e) Öffentliche Last
Die beitragspflichtigen Maßnahmen, z. B. die Ab-
wasserbeseitigungsanlagen, werden als Leistung
von der öffentlichen Hand erbracht und vorfinan-
ziert. Wird der Beitrag nicht gezahlt, geht dies zu
Lasten der Allgemeinheit, also der Steuerzahler.
Deshalb sieht das Gesetz vor, dass die Beitragsfor-
derung als öffentliche Last auf dem Grundstück
ruht (§§ 24 und 31 SächsKAG). Das bedeutet, dass
die Kommune, wenn sie die Beitragsforderung
beim Beitragsschuldner nicht eintreiben kann,
durch Zwangsvollstreckung auf das Grundstück
zugreifen kann, auch wenn der Beitragspflichtige
inzwischen nicht mehr Grundstückseigentümer
ist.
im Übrigen nicht gemeint, dass jede einzelne
Baumaßnahme der Kommune für den einzelnen
Beitragspflichtigen mit konkreten wirtschaftli-
chen Vorteilen verbunden sein muss. Es genügt
vielmehr, dass die Erschließung als solche wirt-
schaftlich vorteilhaft ist.
b) Beitragsmaßstab
Auch für die Beitragshöhe kommt es nicht auf
eine nachweisbare Werterhöhung des einzelnen
Grundstücks an, sondern es werden die Baukos-
ten nach einem pauschalen, an der Nutzungs-
möglichkeit orientierten Maßstab auf die Bei-
tragspflichtigen umgelegt.
Die Nutzungsmöglichkeit eines Grundstückes ist
maßgeblich von dessen Größe abhängig. Daher
kommt der Grundstücksgröße für die Berech-
nung des Beitrages eine wesentliche Bedeutung
zu. Je größer das Grundstück, desto größer ist
grundsätzlich der wirtschaftliche Vorteil für den
Beitragspflichtigen. Dies gilt allerdings nur, wenn
das Grundstück in seiner ganzen Größe baulich
oder gewerblich genutzt werden kann. Ist dies
nicht der Fall, schreibt das Gesetz eine so ge-
nannte Teilflächenabgrenzung (§ 19 SächsKAG)
vor. Dabei spielt es nach der Rechtsprechung des
Sächsischen Oberverwaltungsgerichts allerdings
keine Rolle, wenn ein Grundstücksteil auf einem
Wohngrundstück nicht bebaubar ist, so lange er
sinnvoll als Hausgarten genutzt werden kann.
Die vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag
herausgegebenen Satzungsmuster sehen alterna-
tiv zwei Beitragsmaßstäbe vor
❚
den Nutzungsfaktormaßstab und
❚
den Geschossflächenmaßstab.
24 |
| 25
in der Regel keine Beiträge gezahlt haben, auf-
grund des Grundsatzes der Abgabengerechtigkeit
(s.o. Nr. 3) höhere Gebühren verlangt werden. Die
unterschiedliche Behandlung von bereits Ange-
schlossenen und noch Anzuschließenden würde
die Gemeinden und Zweckverbände daher bei der
praktischen Umsetzung vor große Probleme stel-
len und hätte erhebliche Rechtsunsicherheit zur
Folge.
g) Besonderheiten des Straßenbaubeitrags-
rechts
Das Straßenbaubeitragsrecht ist nur teilweise im
SächsKAG geregelt. Für die Finanzierung der erst-
maligen Herstellung einer Erschließungsstraße
besteht eine spezielle bundesrechtliche Regelung,
die den landesrechtlichen Vorschriften vorgeht.
Für die erstmalige Herstellung sind daher so ge-
nannte Erschließungsbeiträge gemäß §§ 127 ff.
BauGB zu erheben. Das betrifft in aller Regel Neu-
baugebiete. Für einen späteren grundhaften Aus-
bau können keine Erschließungsbeiträge erhoben
werden, sondern Straßenbaubeiträge gemäß §§ 26
ff. SächsKAG.
Erschließungsbeiträge können wie die landes-
rechtlichen Kommunalabgaben nur auf Grund-
lage einer entsprechenden kommunalen Satzung
erhoben werden und sind ebenso wie diese durch
Abgabenbescheid festzusetzen. Bei der Berech-
nung der Beitragshöhe bestehen jedoch bestimm-
te Unterschiede. Insbesondere unterscheiden sie
sich bezüglich des Gemeindeanteils, also des Teils
der Baukosten, den die Gemeinde selbst tragen
muss und daher nicht auf die Beitragspflichtigen
umlegen darf: Nach Erschließungsbeitragsrecht
dürfen auf die Grundstückseigentümer höchstens
90 % der tatsächlich entstandenen Herstellungs-
kosten umgelegt werden. Die Gemeinde hat also
mindestens 10 % des beitragsfähigen Erschlie-
ßungsaufwandes selbst zu tragen. Sie darf den
Gemeindeanteil auch höher ansetzen. Dies bedarf
jedoch einer entsprechenden Satzungsregelung,
die begründet sein muss. Eine willkürliche Erhö-
hung des Gemeindeanteils ist nicht zulässig.
Das landesrechtliche Straßenbaubeitragsrecht
geht nicht einheitlich von einem Mindest-Ge-
meindeanteil von 10 % aus, sondern differenziert
insoweit nach Straßenarten. Gemäß § 28 Abs. 2
SächsKAG beträgt der Mindest-Gemeindeanteil
❚
bei Verkehrsanlagen, die überwiegend dem
Anliegerverkehr dienen, 25 %,
❚
bei Verkehrsanlagen, die überwiegend dem
innerörtlichen Durchgangsverkehr dienen, 50 %,
❚
bei Verkehrsanlagen, die überwiegend dem
überörtlichen Durchgangsverkehr dienen, 75 %.
f) Besonderheiten des Anschlussbeitragsrechts
In der Kalkulation der Anschlussbeiträge (§§ 17
ff. SächsKAG), die auch als „Globalberechnung“
bezeichnet wird, werden die Investitionskosten
durch die Maßstabseinheiten geteilt, die sich
durch Anwendung des Beitragsmaßstabs ergeben
(§ 18 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG). Daraus ergibt sich
rechnerisch der Beitragssatz.
Betriebskapital, Beitragsmaßstab und Beitrags-
satz sind in der Beitragssatzung zu regeln (§ 2
Abs. 1 Satz 1 und § 17 Abs. 3 Satz 1 SächsKAG).
Die Beiträge sind nach einem Maßstab zu bemes-
sen, der die unterschiedlichen Vorteile der Grund-
stücke – aufgrund ihrer baulichen oder sonstigen
Nutzungsmöglichkeiten – berücksichtigt (§ 18
Abs. 1 SächsKAG).
Die Beitragsschuld entsteht grundsätzlich, sobald
das Grundstück an die benutzbare Einrichtung
angeschlossen werden kann (s. § 22 SächsKAG).
Voraussetzung ist, dass eine Beitragssatzung
erlassen wurde, die für diese Einrichtung An-
schluss- und Benutzungszwang anordnet (s.o.
Nr. 5). Wurde kein Anschluss- und Benutzungs-
zwang angeordnet, entsteht die Beitragspflicht,
sobald das Grundstück tatsächlich angeschlossen
ist. Die Pflicht zur Zahlung eines Anschlussbei-
trags kann unabhängig davon bestehen, ob ein
Grundstück schon zu einem früheren Zeitpunkt
– und sei es vor Jahrzehnten – erstmals an eine
zentrale Wasserversorgungs- oder Abwasserent-
sorgungsanlage angeschlossen wurde, wenn dies
vor Inkrafttreten des neuen sächsischen Kommu-
nalabgabenrechts geschehen ist.
Zielsetzung des Sächsischen Kommunalabga-
bengesetzes ist, die entstehenden Kosten mög-
lichst auf alle Grundstückseigentümer vorteils-
gerecht zu verteilen. Würden die so genannten
Altanschließer nicht zu Beiträgen herangezogen,
müssten von den bereits Angeschlossenen, die
Die Beitragssatzung darf auch höhere Gemein-
deanteile festsetzen. Im Straßenbaubeitragsrecht
sind die Entscheidungsspielräume für die Ge-
meinden jedoch größer als im Erschließungsbei-
tragsrecht, da nach geltendem Landesrecht keine
generelle Pflicht zur Erhebung von Straßenbau-
beiträgen besteht.
26 |
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9. Örtliche Aufwand- und
Verbrauchsteuern
Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe (§§ 34 und
35 SächsKAG) sind spezielle, beitragsähnliche Ab-
gabearten. Ihnen ist gemeinsam, dass die aus ih-
nen erzielten Einnahmen zweckgebunden für die
Förderung des Fremdenverkehrs in der jeweiligen
Gemeinde (oder einer anderen die Abgaben erhe-
benden Körperschaft wie z. B. eines Fremdenver-
kehrszweckverbands) einzusetzen sind. Dabei ist
die Kurtaxe auf die Finanzierung der touristischen
Infrastruktur beschränkt, während Einnahmen
aus der Fremdenverkehrsabgabe darüber hinaus
zur Finanzierung des „Aufwands für der Fremden-
verkehrsförderung“ eingesetzt werden dürfen.
Zur Kurtaxe können die Übernachtungsgäste
herangezogen werden, während die Fremden-
verkehrsabgabe von den Gewerbetreibenden er-
hoben wird, die vom Fremdenverkehr profitieren.
Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe können nur
von Kurorten, Erholungsorten und „sonstigen
Fremdenverkehrsgemeinden“ erhoben werden.
Eine nähere gesetzliche Definition des Begriffs
„Fremdenverkehrsgemeinde“ enthält das Gesetz
nicht. Daher kann grundsätzlich jede Gemeinde
solche Abgaben erheben, der Aufwand für tou-
ristische Infrastruktur und für Fremdenverkehrs-
werbung entsteht, und in der Gäste beherbergt
werden, bzw. deren Gewerbetreibende vom Frem-
denverkehr profitieren.
Aus dem Begriff „Kurtaxe“ darf daher nicht der
Schluss gezogen werden, dass sie nur in Kurorten
erhoben werden darf. Ein solcher Zusammenhang
besteht nicht.
Gemäß § 7 Abs. 2 SächsKAG können Gemeinden
alle verfassungsrechtlich (s. Art. 105 Abs. 2a GG)
zulässigen örtlichen Aufwand- und Verbrauch-
steuern erheben – mit Ausnahme der Jagdsteuer,
die den Landkreisen und Kreisfreien Städten zu-
steht (s. § 8 Abs. 2 SächsKAG). Zu den örtlichen
Aufwand- und Verbrauchsteuern, die auch als
„Kleine Gemeindesteuern“ bezeichnet werden,
zählen z. B. die Hundesteuer, die Zweitwohnung-
steuer und die Spielgerätesteuer.
Die Erhebung Kleiner Gemeindesteuern ist nicht
auf diese und andere traditionelle Steuerarten
begrenzt. Daher besteht an sich die Möglichkeit,
auch andere, bisher noch nicht übliche örtliche
Aufwand- und Verbrauchsteuern zu erheben
(kommunales Steuerfindungsrecht).
8. Kurtaxe und
Fremdenverkehrsabgabe
Praktisch sind die Möglichkeiten jedoch durch die
verfassungsrechtlichen Vorgaben sehr begrenzt.
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Eine besondere Form der Stundung ist die Raten-
zahlung. Ist z. B. eine Beitragsforderung in Höhe
von 3.000 EUR entstanden, kann dem Beitrags-
schuldner eingeräumt werden, die Forderung
z. B. in 12 Monatsraten von 250 EUR zu beglei-
chen. Die jeweilige Restschuld kann verzinst wer-
den oder die Zinsschuld wird erlassen. Der Erlass
einer Abgabenforderung (§ 227 AO), also ein For-
derungsverzicht, kommt dagegen nur in seltenen
Ausnahmefällen in Betracht.
Stundung und Erlass sind aus sachlichen oder aus
persönlichen Gründen möglich. Sachliche Gründe
liegen vor, wenn die Abgabenerhebung im Einzel-
fall nicht mit dem gesetzlichen Regelungszweck
vereinbar ist. Persönliche Gründe sind solche
Umstände, die es ausnahmsweise gerechtfertigt
erscheinen lassen, die Abgabe nicht (Erlass) oder
nicht in voller Höhe (Teilerlass) einzuziehen bzw.
Die kommunalen Aufgabenträger sollen nach
Möglichkeit auf die wirtschaftliche und persön-
liche Situation der Abgabenpflichtigen Rücksicht
nehmen. Das Gesetz erlaubt daher unter engen
Voraussetzungen die Stundung und den Erlass
von Abgabenforderungen. Ist die Abgabe bereits
durch Bescheid festgesetzt, kann sie gegen Zinsen
(Normalfall) oder zinslos (Ausnahme) gestundet
werden, d. h., die Fälligkeit wird in die Zukunft
verschoben (§ 222 AO). Sind die gesetzlichen
Voraussetzungen erfüllt, fällt es grundsätzlich in
das Ermessen der Kommune, ob und inwieweit sie
Stundung gewährt. Oft haben die kommunalen
Aufgabenträger, um eine einheitliche Ermessen-
sausübung sicherzustellen, Stundungsrichtlinien
erlassen, die die Bedingungen für die Stundungs-
gewährung allgemeingültig festlegen.
den Fälligkeitstermin hinauszuschieben (Stun-
dung). Persönliche Gründe hat der Abgaben-
schuldner der Behörde nachzuweisen. Soweit er-
forderlich, muss der Abgabenpflichtige dazu seine
Vermögensverhältnisse offen legen.
Stundung und Erlass werden nur auf schriftlichen
Antrag gewährt. Wird der Antrag abgelehnt, kann
Widerspruch eingelegt und ggf. Klage vor dem
Verwaltungsgericht erhoben werden. Wird gegen
einen Abgabenbescheid Widerspruch oder Klage
erhoben, sind die Widerspruchsbehörde und die
Gerichte hingegen nicht befugt, in diesem Ver-
fahren auch evtl. bestehende Ansprüche auf Er-
lass oder Stundung mit zu prüfen.
Das Beitragsrecht des SächsKAG sieht zusätzlich
folgende mögliche Zahlungserleichterungen vor:
❚
Ratenweise Entstehung des Beitrages:
In der Beitragssatzung kann bestimmt werden,
dass die Beitragsschuld in Raten entsteht
(§ 22 Abs. 3 SächsKAG). So kann z. B. eine
Beitragsschuld von 6.000 EUR in drei Raten
von 2.000 EUR entstehen. Der Beitragsschuld-
ner erhält dann in einem bestimmten zeitli-
chen Abstand drei Beitragsbescheide über je-
weils 2.000 EUR. Jeder dieser Bescheide kann
für sich angefochten werden. Mit der raten-
weisen Entstehung der Beitragsschuld entlas-
tet die Kommune oder der Zweckverband
den Beitragspflichtigen, indem von ihm – un-
abhängig von der Frage der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit – der Beitrag in mehreren,
in der Höhe und im Zeitpunkt festgelegten
Raten gefordert wird.
❚
Verrentung der Beitragsschuld:
Die beitragsberechtigte Kommune kann zulas-
sen, dass der Beitrag in Form einer Rente
gezahlt wird (§ 22 Abs. 4 SächsKAG).
Allerdings besteht diese Möglichkeit nur bei
mangelnder wirtschaftlicher Leistungskraft
des Beitragsschuldners. Der bereits durch Be-
scheid festgesetzte Beitrag wird auf schriftli-
chen Antrag des Beitragsschuldners durch
einen weiteren Bescheid in eine Schuld umge-
wandelt, die in höchstens zehn Jahresleis-
tungen zu entrichten ist. Der neue Bescheid
bestimmt Höhe und Fälligkeit der Jahresleis-
tungen. So kann z. B. ein Beitrag von 5.000
EUR in 10 Jahresraten von 500 EUR beglichen
werden. Der Restbetrag soll verzinst werden.
10. Zahlungserleichterungen
30 |
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Die Einwohner müssen frühzeitig und umfassend
informiert werden, wenn Planungen und Vorha-
ben der Gemeinde ihre sozialen, kulturellen, öko-
logischen oder wirtschaftlichen Belange berühren
(§ 11 Abs. 2 SächsGemO). Mit dieser Vorschrift
wird eine Informationspflicht der Gemeinde, je-
doch kein (einklagbarer) Anspruch des einzelnen
Einwohners begründet. Wenn Vorhaben beitrags-
und gebührenrelevant und nicht nur von unter-
geordneter Bedeutung sind, muss die Gemeinde
die Bürger entsprechend informieren. Dies kann
im Rahmen einer Einwohnerversammlung ge-
schehen oder durch Berichte im Amtsblatt.
Das Kommunalrecht (z. B. § 12 SächsGemO und
§ 11 SächsLKrO) räumt den Bürgern ausdrücklich
das Recht ein, sich in kommunalen Angelegenhei-
ten mit Petitionen an die zuständige Kommune zu
wenden. Sie ist verpflichtet, sich mit den Petitio-
nen zu befassen und sie innerhalb einer angemes-
senen Frist, grundsätzlich nach sechs Wochen, zu
beantworten. Die Petition kann Vorschläge, Bitten
und Beschwerden zum Gegenstand haben. Sie
kann aber förmliche Rechtsbehelfe (also Wider-
spruch und Klage) nicht ersetzen und dient nicht
dem Zweck, eine umfassende, kostenlose Rechts-
beratung zu gewähren.
Die Gemeinden sind außerdem verpflichtet, den
Einwohnern bei der Einleitung von Verwaltungs-
verfahren behilflich zu sein (§ 13 Abs.1 SächsGe-
mO). Zu den Verwaltungsverfahren zählt auch der
Widerspruch gegen Verwaltungsakte, also u. a.
Gebühren- und Beitragsbescheide, selbst wenn
Diese Grundsätze gelten entsprechend für alle
kommunalen Körperschaften.
Die Kommunen sind verpflichtet, den Betroffenen
Einsicht in die Kalkulationsunterlagen
zu ge-
währen. Jeder Beitrags- und Gebührenpflichtige
ist als Adressat eines Beitrags- oder Gebührenbe-
scheides Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens.
In dieser Eigenschaft hat er das Recht, alle Un-
terlagen einzusehen, die Grundlage für die Bei-
trags- oder Gebührenerhebung sind (s. § 29 Abs. 1
Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes – VwVfG –
in Verbindung mit § 1 des Verwaltungsverfahrens-
gesetzes für den Freistaat Sachsen). Dazu zählen
insbesondere auch die Kalkulationsunterlagen.
über den Widerspruch nicht die Gemeinde ent-
scheidet. Die Gemeinde ist verpflichtet, bei der
Einlegung des Widerspruchs auf die Einhaltung
der Zulässigkeitsvoraussetzungen zu achten. Die
gemeindliche Hilfspflicht ist abhängig von der
Verwaltungskraft der Gemeinde, d. h., vom zur
Verfügung stehenden Personal.
Eine Rechtsberatung darf
nicht
durchgeführt
werden.
Gemäß § 44 Abs. 3 SächsGemO können der Ge-
meinderat und seine Ausschüsse bei öffentlichen
Sitzungen Einwohnern, ihnen gleichgestellten
Personen (§ 10 Abs. 3 SächsGemO) sowie Ver-
tretern von Bürgerinitiativen die Möglichkeit
einräumen, Fragen zu Gemeindeangelegenheiten
zu stellen sowie Anregungen und Vorschläge zu
unterbreiten (Fragestunde). Zu den Fragen nimmt
der Vorsitzende oder ein von ihm Beauftragter
Stellung. Werden Maßnahmen im Gemeinderat
und seinen Ausschüssen beraten, die kommunal-
abgabenrechtliche Auswirkungen haben können,
kann diese Form der Bürgerbeteiligung sinnvoll
sein. Insbesondere kann auf diese Weise der Di-
alog mit den Bürgerinitiativen gesucht werden.
Bürgerinitiativen sind in der Gemeindeordnung
ausdrücklich benannt. Das zeigt, dass ihnen eine
besondere Bedeutung zukommt.
Bei der Vorbereitung wichtiger Entscheidungen
können der Gemeinderat und seine Ausschüs-
se betroffenen Personen und Personengruppen
Gelegenheit geben, ihre Auffassung vorzutra-
gen (Anhörung, § 44 Abs. 4 SächsGemO). Auch
von dieser Möglichkeit sollte Gebrauch gemacht
werden. Sowohl die Fragestunde als auch die An-
hörung sind in das Ermessen des Gemeinderates
und seiner Ausschüsse gestellt.
11. Informations- und
Beteiligungsrechte
32 |
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Die Behörden sollen außer in einfach gelagerten
Fällen die Betroffenen vor Erlass eines Abgaben-
bescheids anhören (vgl. § 28 VwVfG). Es bietet
sich an, dies durch Übersendung eines Bescheid-
entwurfs zu tun. Der Beitragspflichtige wird da-
durch in die Lage versetzt, sich rechtzeitig auf
die Beitragsforderung einzustellen, sei es durch
Bereitstellung der erforderlichen finanziellen
Mittel, sei es durch Vorbereitung eines Antrages
auf Gewährung einer Zahlungserleichterung, z. B.
einer Stundung. Ein derartiger Bescheidentwurf
oder „Vorabbescheid“ ist nicht anfechtbar, da er
noch keine rechtlich verbindliche Entscheidung
über die Abgabeschuld enthält, sondern bloß der
Information der Betroffenen dient. Es kann auch
passieren, dass sich der eigentliche Abgaben-
bescheid von der Entwurfsfassung unterscheidet.
Im Fall eines Rechtsstreites stehen dem Abgaben-
pflichtigen grundsätzlich zwei Wege offen:
❚
das Normenkontrollverfahren und
❚
das Widerspruchsverfahren mit anschließen-
der Anfechtungsklage vor dem Verwaltungs-
gericht.
a) Normenkontrollverfahren
Bürger haben die Möglichkeit, Beitrags- und Ge-
bührensatzungen, die sie betreffen könnten, vor
dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht auf
die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht über-
prüfen zu lassen (§ 47 der Verwaltungsgerichts-
ordnung – VwGO – in Verbindung mit § 24 des
Sächsischen Justizgesetzes – SächsJG). Das gilt
auch, wenn sie noch nicht von einem Beitrags-
oder Gebührenbescheid betroffen sind. Antrags-
berechtigt ist jede natürliche (Bürger) oder ju-
ristische Person (z. B. Unternehmen), die geltend
macht, dass sie durch die Rechtsvorschrift oder
deren Anwendung in ihren Rechten verletzt wur-
de oder in absehbarer Zeit verletzt wird. Ist der
Bürger beispielsweise der Auffassung, der Ab-
gabenmaßstab sei nicht rechtens, kann er unter
Hinweis auf einen möglichen Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz das Normenkontrollverfah-
ren anstrengen.
Stellt das Oberverwaltungsgericht die vollständi-
ge oder teilweise Nichtigkeit einer Satzung fest,
ist diese Feststellung allgemein verbindlich. Es
können sich also auch andere Betroffene darauf
berufen.
b) Widerspruchsverfahren mit anschließender
Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht
Die weitaus größere praktische Bedeutung für den
Abgabenpflichtigen hat die Anfechtungsklage.
Auch in diesem Verfahren wird die Vereinbarkeit
der Satzung mit höherrangigem Recht geprüft,
sofern der Beitrags- oder Gebührenschuldner
Entsprechendes vorträgt.
Vor der Anfechtungsklage ist ein Vorverfahren
(Widerspruchsverfahren) durchzuführen. Der Wi-
derspruch gegen den Abgabenbescheid kann in-
nerhalb eines Monats nach dessen Bekanntgabe
entweder bei der Behörde, die den Abgabenbe-
scheid erlassen hat, oder bei der Widerspruchsbe-
hörde eingelegt werden. Maßgebend für die Ein-
haltung der Frist ist der Zugang des Widerspruchs
bei der Behörde, nicht der Absendetag oder der
Poststempel.
Hat es die Gemeinde, der Landkreis oder der
Zweckverband versäumt, den Abgabenbescheid
mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen
oder ist diese unvollständig oder fehlerhaft, ver-
längert sich die Frist: Der Abgabenpflichtige hat
dann die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres Wi-
derspruch zu erheben.
Widerspruchsbehörde ist grundsätzlich die kom-
munale Körperschaft, die den Abgabenbescheid
erlassen hat (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO).
Widerspruchsbehörde für Gemeinden mit weni-
ger als 5.000 Einwohnern ist grundsätzliche das
Landratsamt (s. § 27 Abs. 1 Satz 1 SächsJG). Ist
eine Gemeinde nicht selbst Widerspruchsbehörde,
hat sie gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 SächsJG die Be-
fugnis, zunächst zu prüfen, ob sie ihre Entschei-
dung korrigieren will (Abhilfeentscheidung). Die
Widerspruchsbehörde muss ihr, bevor sie selbst
entscheidet, zunächst die Möglichkeit geben, eine
Abhilfeentscheidung zu treffen.
Entspricht der Widerspruchsbescheid dem Antrag
des Abgabenpflichtigen nicht oder nicht vollstän-
dig, hat er wiederum innerhalb eines Monats die
Möglichkeit, gegen den Ausgangsbescheid An-
fechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht zu
erheben (Hauptsacheverfahren).
Wird die Anfechtungsklage vor dem Verwal-
tungsgericht abgewiesen, kann unter Umständen
vor dem Oberverwaltungsgericht Berufung ein-
gelegt werden. Das Oberverwaltungsgericht ist,
soweit es um die Anwendung von Landesrecht
geht, die letzte Instanz. Wurde Bundesrecht ver-
letzt, besteht noch die Möglichkeit, Revision beim
Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Im Er-
schließungsbeitragsrecht ist dies, weil es sich um
bundesrechtliche Vorschriften handelt (§§ 127 ff.
BauGB), stets möglich, während das Bundesver-
waltungsgericht in kommunalabgabenrechtlichen
Streitigkeiten grundsätzlich darauf beschränkt ist,
zu prüfen, ob gegen bundesverfassungsrechtliche
Grundsätze verstoßen wurde.
Im Widerspruchsverfahren sowie in den Verfah-
ren vor dem Verwaltungsgericht besteht kein
Anwaltszwang (die Verpflichtung, sich von einem
Anwalt vertreten zu lassen). Jeder Bürger kann
sich selbst vertreten. Lediglich vor dem Oberver-
waltungsgericht und dem Bundesverwaltungsge-
12.
Rechtsschutz
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richt besteht Anwaltszwang. Gewinnt der Kläger
den Prozess, entstehen ihm keine Kosten und der
bereits geleistete Beitrag muss zurückgezahlt
werden. Unterliegt er, muss er sowohl im Wider-
spruchsverfahren als auch im Gerichtsverfahren
die Kosten tragen. Es kann Prozesskostenhilfe
gewährt werden, wenn die Kosten der Prozess-
führung aus persönlichen oder wirtschaftlichen
Gründen nicht oder nur zum Teil aufgebracht
werden können. Voraussetzung ist, dass die Klage
hinreichende Erfolgsaussicht hat. Prozesskosten-
hilfe muss beim zuständigen Gericht beantragt
werden.
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Ab-
gabenbescheide haben keine aufschiebende Wir-
kung. Das bedeutet, dass die Abgabe zunächst
trotzdem in der festgesetzten Höhe bezahlt wer-
den muss. Der Betrag wird bei Erfolg des Wider-
spruchs oder der Klage zurückerstattet. So lange
nicht abschließend über den Widerspruch bzw. die
Anfechtungsklage entschieden ist, kann die Be-
hörde die Abgabenforderung vollstrecken und es
werden Säumniszuschläge fällig.
Die Kosten der
Vollstreckungsmaßnahmen (z. B. Mahngebüh-
ren) und die Säumniszuschläge hat der Abga-
benpflichtige auch dann zu tragen, wenn sein
Widerspruch oder seine Klage erfolgreich ist.
D. h., dass diese Zahlungen auch im Falle eines
erfolgreichen Widerspruchs oder des Obsiegens
vor Gericht nicht zurückerstattet werden.
Der Abgabenpflichtige kann jedoch bei der Aus-
gangsbehörde oder bei der Widerspruchsbehör-
de einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
stellen (§ 80 Abs. 4 VwGO) oder beim Verwal-
tungsgericht aufschiebende Wirkung beantragen
(§ 80 Abs. 5 VwGO). Wird diesem Antrag ent-
sprochen, besteht bis zur endgültigen Entschei-
dung über den Widerspruch oder die Klage keine
Zahlungspflicht. Das Verwaltungsgericht kann
nur dann unmittelbar angerufen werden, wenn
13.
Ansprechpartner
die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde ohne
Mitteilung eines triftigen Grundes innerhalb einer
angemessenen Frist nicht über den Antrag ent-
schieden hat oder wenn Vollstreckung droht. Ge-
gen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist
eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht
möglich.
Hat der Widerspruch keinen Erfolg, wird eine Ver-
waltungsgebühr (Rechtsbehelfsgebühr) fällig (§ 11
des Verwaltungskostengesetzes des Freistaates
Sachsen – SächsVwKG –).
Ansprechpartner bzw. „erste Anlaufstelle“ ist
grundsätzlich die kommunale Körperschaft,
die den Abgabenbescheid erlassen hat. Also bei
Straßenbaubeiträgen die jeweilige Gemeinde,
bei Abfallgebühren der Landkreis als öffentlich-
rechtlicher Entsorgungsträger oder ggf. der zu-
ständige Abfallzweckverband. Bestehen Fragen zu
einem konkreten Abgabenbescheid, ist es sinnvoll,
zunächst die Behörde anzusprechen, die den Be-
scheid erlassen hat. Bei Unsicherheiten im Hin-
blick auf die Zuständigkeit kann man sich auch
stets mit Anliegen an die jeweiligen Bürgerrefe-
renten wenden, die bei den Behörden angesiedelt
sind. Sie leiten die schriftliche oder mündliche
Anfrage auf jeden Fall an die richtige Stelle weiter.
Darüber hinaus können Betroffene sich auch mit
Eingaben an die zuständigen Rechtsaufsichts-
behörden (Landratsamt, Landesdirektion) oder
mit einer Petition an den Petitionsausschuss
des Sächsischen Landtags wenden. Dabei ist zu
beachten, dass solche Eingaben oder Petitionen
nicht den Widerspruch gegen den bereits er-
lassenen Abgabenbescheid ersetzen können. Die
Widerspruchsfrist bzw. ggf. Klage-, Berufungs-
und Revisionsfristen laufen trotz Eingabe oder
Petition weiter. Ist der Abgabenbescheid einmal
bestandskräftig geworden, sind die Möglichkei-
ten der Rechtsaufsichtsbehörden wegen der Be-
standskraft nur noch begrenzt.
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Notizen