Jahresbericht 2019 des Sächsischen Rechnungshofs
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Einzelplan 04:
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen
Prozessmanagement bei der Beihilfebearbeitung
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Durch optimierte Prozesse und bessere IT-Unterstützung könnte der
Aufwand bei der Beihilfebearbeitung deutlich gesenkt und die Bear-
beitungszeit reduziert werden.
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Prüfungsgegenstand
Der Freistaat Sachsen gewährt den im Dienstverhältnis und im Ruhe-
stand stehenden sächsischen Beamten und Richtern sowie ihren berück-
sichtigungsfähigen Angehörigen Beihilfe zum Ausgleich eines Teils der
Kosten für medizinische Leistungen aus einer eigenständigen beamten-
rechtlichen Krankenfürsorge.
Das LSF ist Beihilfestelle für die Beamten und die Richter der sächsi-
schen Staatsverwaltung.
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Um eine gleichbleibend hohe Qualität bei der Bearbeitung der Beihilfe
zu gewährleisten, sind die Prozessabläufe qualitätszusichern. Das Pro-
zessmanagement ist eine wesentliche Komponente des Qualitätsmana-
gements.
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Der SRH hat die Prozesse beim LSF erhoben und mit der
PICTURE-Methode
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modelliert, analysiert und im Hinblick auf eine au-
tomatisierte Bearbeitung Optimierungsvorschläge unterbreitet.
Das Prozessmanagement bei der Beihilfebearbeitung im LSF war thema-
tisch in die Prüfung „Qualitätssicherung bei der Beihilfebearbeitung“ des
SRH eingebettet. Die Prüfung erstreckte sich auf die Hj. 2013 bis 2017.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Fallzahlen
Die vom SRH erhobenen Personal- und Sachkosten für die Beihilfepro-
zesse im LSF betragen im Prüfungszeitraum rd. 1,9 Mio. € pro Jahr
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.
Die Zahl der Beihilfeberechtigten erhöhte sich im Zeitraum von 2013 bis
2017 um rd. 8 % von 37.547 auf 40.705. Auch die Anzahl der Beihilfebe-
scheide hat sich im geprüften Zeitraum stetig erhöht (2013: 81.850
Bescheide, 2017: 92.246 Bescheide). Die Steigerungsraten bewegen sich
zwischen 1,7 % und 4,7 % pro Jahr.
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Im Zuge der Verbeamtungen im Lehrerbereich wird sich dieser Trend
beschleunigt fortsetzen.
2.2 Beihilfebearbeitung - Istanalyse
Bei der Beihilfebearbeitung im LSF wurden 9 Kernprozesse identifiziert.
Sie unterscheiden sich erheblich in der Durchlaufhäufigkeit und beim
Personalaufwand. Am häufigsten durchlaufen werden die Prozesse
„Postbearbeitung der Beihilfeanträge“ und „Beihilfeantragsbearbeitung“.
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Daneben bearbeitet das SMF die Beihilfeanträge der Mitglieder der Staatsregierung und die
Verwaltung des SLT die Beihilfeanträge der Abgeordneten.
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Vgl. SMI, Handbuch Prozessmanagement, Version 3.0, S. 18.
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Mit der PICTURE-Methode können insbesondere fachliche Abläufe in der öffentlichen Verwaltung
modelliert werden. Dafür stehen 24 vorgefertigte Prozessbausteine bereit.
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Darin enthalten sind die Personal- und Sachkosten aller 9 Kernprozesse der Beihilfestelle, u. a. der
Kernprozess „Beihilfeanträge bearbeiten“ allein mit rd. 1,38 Mio. €.
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Quelle: E-Mails LSF vom 02.02.2017 und 14.05.2018, ohne Abhilfebescheide und ohne Direktab-
rechnung, vgl. auch Beitrag „Abrechnung von stationären Krankenhausleistungen im Rahmen der
Beihilfe“.
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Anzahl Beihilfeberechtigte und
-bescheide steigen stetig
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Beide Prozesse wurden im Erhebungszeitraum durchschnittlich fast
90.000-mal pro Jahr durchlaufen.
Diese sind damit typische Massenprozesse.
Trotz IT-Unterstützung sind in diesen Prozessen noch viele manuelle
Eingriffe erforderlich, so z. B. beim Prozess „Postbearbeitung der Beihil-
feanträge“ die Registrierung der Beihilfeanträge, die Prüfung auf vor-
handene Unterschrift oder die Datenerfassung der Rezepte.
Auch der Prozess „Beihilfeantragsbearbeitung“ wird nur punktuell von IT
unterstützt. Zeitaufwändig sind hier vor allem manuelle Tätigkeiten, wie
die Datenerfassung oder das Drucken der Bescheide und die Versandvor-
bereitung. Manuelle Eingriffe sind zugleich potenzielle Fehlerquellen.
Besonders fehleranfällig sind die Erfassung der Antrags- und Rezeptda-
ten oder ergänzende Berechnungen mit dem Taschenrechner.
Eine Prozessoptimierung sowie eine bessere IT-Unterstützung würden
hier sowohl kostensenkend als auch qualitätssichernd wirken.
2.3 Rezeptbearbeitung
Die Rezepte aus 90 % der Beihilfeanträge werden nicht wie vorgesehen
in der Geschäftsstelle, sondern erst bei der Bearbeitung der Beihilfean-
träge durch den Beihilfesachbearbeiter erfasst.
Die Erfassung der Rezepte durch Beihilfesachbearbeiter (Laufbahngrup-
pe 1.2) ist jährlich fast 45 T€
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teurer als durch Bedienstete der Ge-
schäftsstelle (Laufbahngruppe 1.1).
Die Rezepterfassung durch Beihilfesachbearbeiter ist im Vergleich zu
den Bediensteten der Geschäftsstelle unwirtschaftlich.
2.4 Beihilfebearbeitung in anderen Ländern
Die Beihilfestelle hat im Rahmen eines Vor-Projektes im Jahr 2017 die
aktuelle Entwicklung der Beihilfebearbeitung in anderen Ländern unter-
sucht. Ergebnis war, dass in den letzten 10 Jahren, insbesondere in gro-
ßen Beihilfestellen, eine zunehmende Automatisierung zu erkennen sei.
Vor allem in großen Beihilfestellen habe die papierlose Sachbearbeitung
eingesetzt. Zu beobachten sei, dass auch Beihilfestellen zunehmend die
Möglichkeit schaffen, Beihilfeanträge online zu erhalten. Durch die Ein-
richtung von Mitarbeiterportalen werde es zunehmend möglich, Beihil-
febescheide elektronisch zu versenden, was deren Druck entbehrlich
mache.
Die Beihilfestelle selbst kommt zu dem Ergebnis, dass die herkömmli-
che Beihilfebearbeitung - wie im LSF - zunehmend unwirtschaftlicher
werde.
2.5 Beihilfebearbeitung - Soll-Prozess
Der SRH hat deshalb einen Soll-Prozess modelliert, dem eine weitestge-
hend automatisierte, medienbruchfreie und workflow-regelbasierte Be-
arbeitung vom Posteingang bis zum elektronischen Abruf der Bescheide
im Web-Portal sowie die vollelektronische Beihilfeakte zugrunde liegt.
Die bisherige manuell durchgeführte Prüfung von Rechnungen kann
dann weitestgehend automatisiert mithilfe eines im IT-System hinterleg-
ten Regelwerkes erfolgen (sog. Dunkelverarbeitung).
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Berechnung: 2,763 VZÄ*(71.171,52 € gem. VwV Kostenfestlegung 2013 für Laufbahngruppe 1.2
- 54.982,08 € gem. VwV Kostenfestlegung 2013 für Laufbahngruppe 1.1) = 44.731 €.
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Viele manuelle Eingriffe
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IT-Unterstützung punktuell
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Teure Rezepterfassung durch
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Sachbearbeiter
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Trend zur zunehmenden Automa-
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tisierung
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Soll-Prozess des SRH durchgängig
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IT-unterstützt
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Bereits jetzt werden bei rd. 70 % aller Beihilfeanträge keine Kürzungen
vorgenommen. Für diese Anträge könnte bei einer automatisierten Ver-
arbeitung der manuelle Prüfaufwand gänzlich entfallen.
Dies hätte den Effekt, dass eine qualitätsgesicherte, beschleunigte Bear-
beitung der Anträge erfolgen kann.
Sofern es der Beihilfestelle gelänge, 50 % der Beihilfeanträge elekt-
ronisch, z. B. über ein Mitarbeiterportal, zu erhalten und weitestge-
hend automatisiert zu bearbeiten, ließen sich die Personal- und Sach-
kosten um rd. 730 T€
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jährlich reduzieren.
3 Folgerungen
Das mit der Optimierung und der Automatisierung der Beihilfebearbei-
tungsprozesse mögliche Effektivitäts- und Effizienzpotenzial sollte er-
schlossen werden.
Die Erreichung des beschriebenen Soll-Prozesses ist selbst ein Prozess,
der schrittweise umgesetzt werden sollte. Das dann frei werdende Perso-
nal stünde dem LSF für andere Aufgaben zur Verfügung.
4 Stellungnahmen
Das SMF erklärte, die Beihilfestelle habe im Rahmen des Vor-Projektes
im Jahr 2017 nicht nur die aktuellen Entwicklungen in anderen Ländern
betrachtet, sondern auch Varianten der Automatisierung des Prozesses
der Beihilfebearbeitung untersucht. Im Ergebnis des Vor-Projektes erar-
beite das LSF derzeit ein Konzept zur Umsetzung einer digitalisierten
Beihilfebearbeitung für den Freistaat Sachsen.
Das genannte Einsparpotenzial sowie die Folgerungen seien nicht nach-
vollziehbar bzw. zu einseitig betrachtet. Erkenntnisse aus anderen Bun-
desländern ließen diese Einspargrößenordnung nicht plausibel erschei-
nen. Es sei zu erwarten, dass mit der Automatisierung durch Einführung
neuer Prozesse (Scannen, Nachbearbeiten usw.) kurzfristig zunächst
mehr Personal in der Beihilfebearbeitung gebunden sein werde als bis-
her. Einspareffekte bei den Personal- und Sachkosten seien frühestens
mittelfristig zu erwarten und die genannte Größenordnung könne nur
orientierenden Charakter haben. Kurzfristige Effekte könnten bspw. die
Senkung der Bearbeitungszeiten oder eine zeitgemäße Antragstellung
sein.
5 Schlussbemerkung des SRH
Es wird begrüßt, dass das LSF derzeit ein Konzept zur Umsetzung einer
digitalisierten Beihilfebearbeitung für den Freistaat Sachsen erarbeitet.
Ziel sollte dabei sein, eine weitestgehend automatisierte, medienbruch-
freie und workflow-regelbasierte Beihilfebearbeitung zu ermöglichen.
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Berechnung: Personal- und Sachkosten Istprozess (1.380 T€) - Personal- und Sachkosten Soll-
Prozess (650 T€) = 730 T€.
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70 % der Anträge vollautomatisch
prüfbar
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Beschleunigte Bearbeitung
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Erhebliche Kostensenkung möglich
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